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Bewerbungen und Karriere erfolgreich gestalten

Tipps aus der Praxis, die wirklich weiterhelfen

Wir müssen über Diskriminierung reden

Diskriminierung in Personalauswahlverfahren ist eine nicht zu leugnende Tatsache. Einiges, aber nicht alles ist daran empörend.

In Deutschland ist es gesellschaftlicher Konsens, Menschen nicht aufgrund bestimmter Merkmale herabzusetzen oder herabzuwürdigen. Rechtlich versuchen wir diesen Anspruch vor allem durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zu realisieren. Sehr deutliche Worte findet auch die Bundesregierung mit der Feststellung, dass eine Diskriminierung im rechtlichen Sinne jede ungerechtfertigte Ungleichbehandlung aufgrund von ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Orientierung ist.

Mit mehr als 15 Jahren Berufserfahrung als Job- und Karrierecoach und mehr als zehntausend Kunden aller Geschlechter verfüge ich über ein ausreichendes empirisches Fundament, um zu dem Schluss zu kommen, dass Diskriminierung im Arbeitsleben weiterhin stattfindet und gerade in Personalauswahlverfahren viel häufiger auftritt als allgemein angenommen. Und das beziehe ich nicht auf wertneutrale Diskrimination, also die Bevorzugung eines eindeutig besser geeigneten Bewerbers gegenüber der Konkurrenz.

Diskriminierung nach Alter ist besonders häufig

Von allen Arten der Diskriminierung ist die nach Alter die häufigste. Je nach Branche und Karrierelevel gibt es unterschiedliche Erfahrungswerte, aber ganz klar muss die Alterskohorte Ü 55 signifikant mehr Bewerbungen erstellen, um Einladungen zu Vorstellungsgesprächen zu erhalten. Das hat oft mit Vorurteilen hinsichtlich der (angeblich reduzierten) Lern- und Leistungsfähigkeit zu tun. Hinzu kommen allzu menschliche Motive: Nicht viele Führungskräfte sind derart selbstsicher und souverän, dass sie einen Mitarbeiter akzeptieren, der deutlich erfahrener ist als sie selbst.

Am seltensten sind mir in der Metropolregion Berlin dagegen Fälle von Diskriminierung aufgrund (politischer) Weltanschauung, Religion und sexueller Orientierung aufgefallen. Letztere gilt als etwas Privates und ist in aller Regel kein Thema eines Vorstellungsgesprächs. Ähnliches verhält es sich mit der Religion, denn anders als noch vor einigen Jahrzehnten geben Bewerber im Lebenslauf ihre Konfession nicht mehr an. Und tatsächlich gibt es in unserer säkularen Welt dafür auch keine Notwendigkeit mehr.

Nachvollziehbar bleibt für mich, wenn etwa das Erzbistum einen bekennenden Katholiken für eine hervorgehobene nicht-geistliche Position einstellen möchte. Gleichzeitig ist es aber normal geworden, dass die Caritas u.a. auch Protestanten und Konfessionslose einstellt, um ihren Personalbedarf zu decken. Politische Toleranz sollte in erster Linie in der Privatwirtschaft gelebt werden, während gerade Nichtregierungsorganisationen, Parteien und der Staat selbst in vielen Positionen eine ideelle Identifikation mit ihrem Daseinszweck erwarten.

Anonyme Bewerbungsverfahren helfen nur bedingt weiter

Treten manche Merkmale allerdings in Kombination auf – Fachleute sprechen von Intersektionalität –, dann können auch Weltanschauung und Glaubensbekenntnis zur erlebten Diskriminierung beitragen. Die Kombination islamischer Glaube plus Herkunft plus Kleidung (Kopftuch) oder Körperpflege (Bartwuchs) kann immer noch dazu führen, dass Bewerber benachteiligt werden. Sicherlich hat sich in den letzten 20 Jahren in dieser Hinsicht schon eine Menge verbessert, aber es gibt immer noch viel zu tun. Mitunter finden sich in einem Coaching individuelle Lösungen, um Bewerberchancen zu verbessern, ohne Werte und Authentizität in Frage zu stellen.

Auch immer mehr Arbeitgeber haben dies als Problem erkannt und bitten um Bewerbungen ohne Foto, um Diskriminierung aufgrund von Herkunft und (dunkler) Hautfarbe zu vermeiden. Manche Bewerber gehen noch darüber hinaus und geben weder Name, Orte wie Zeiten der Ausbildung und beruflicher Stationen, Geburtsdatum oder Geschlecht an. Doch solche anonymen Bewerbungen sind spätestens in Vorstellungsgesprächen nicht mehr möglich. Einfallstore für Diskriminierung wird es also immer geben, egal was wir uns ausdenken. Und Quotenregelungen sind durchaus umstritten, wenn Arbeitgeber nach Eignung, Leistung und Befähigung (nicht nur im öffentlichen Dienst!) einstellen wollen.

Diskriminierung nach Geschlecht ist häufiger als gemeinhin angenommen

Apropos Quote: Gerade bei der Diskriminierung nach Geschlecht ist der Bezug oft informell vorhanden. Denn häufiger als gedacht überlegen sich Arbeitgeber vorher ganz genau, ob sie einen Mann oder eine Frau – das dritte Geschlecht spielt faktisch keine Rolle – einstellen wollen. Das deckt sich mit personaldiagnostischen Erkenntnissen: Teams mit einem annähernd ausgeglichenen Geschlechterverhältnis arbeiten in der Regel effizienter als bei einem deutlichen Missverhältnis. Wer also bereits fünf Männer und eine Frau beschäftigt und eine zusätzliche Position schafft, sollte sehr darauf achten, eine weitere Frau einzustellen, sofern die Bewerberlage eine entsprechende Auswahl ermöglicht.

Aus Arbeitgeberperspektive kann es daher nachvollziehbare Gründe für eine Diskriminierung geben. Um einen teuren Rechtsstreit zu vermeiden, werden sie dies allerdings kaum nach außen kommunizieren oder nach innen dokumentieren. In einer Stellenanzeige eine Position mit (m/w/d) zu bezeichnen, ist daher nicht immer hilfreich und ermutigend. Denn es ist ärgerlich für manche Bewerber, die schon vorab keine Chancen haben, ohne das erkennen zu können. Ungeachtet dessen ist eine geringe Repräsentanz eines Geschlechts in bestimmten Branchen oder Tätigkeiten meist kein automatischer Beleg einer systematischen Diskriminierung. Trotzdem bleibt noch viel zu tun, um mittelbare wie unmittelbare Diskriminierung abzubauen, damit Frauen einen leichteren Zugang zu Führungspositionen finden.

Oft ist es besser, einen Grad der Behinderung im Lebenslauf zu verschweigen

Noch krasser habe ich den Umgang mit Behinderungen erlebt. Wer in seiner schriftlichen Bewerbung einen Grad der Behinderung angibt, kann fast sicher sein, zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Denn offenbar ist den allermeisten Arbeitgebern das Risiko zu groß, mit einer direkten Absage verklagt zu werden. Trotzdem sollten sich Bewerber im Klaren sein, dass sie dadurch kaum bessere Chancen auf die Stelle haben.

Ich erinnere mich an eine Juristin, die ihre Behinderung im Lebenslauf verschwieg, weil sie aufgrund fachlicher Kompetenzen eingeladen werden wollte. Sie hatte zu häufig den Eindruck gewonnen, dass sich Arbeitgeber mit der Einladung zum Vorstellungsgespräch nur rechtlich absichern wollten. Tatsächlich spürte sie aber, dass meist schon längst entschieden worden war, sie nicht einzustellen. Es ist also zweierlei, ob Inklusion lediglich behauptet oder tatsächlich praktiziert wird.

Wie Sie eine mögliche Diskriminierung vorab erkennen können

Unabhängig davon, welche Diskriminierung droht, gibt es einige Möglichkeiten, dies vorab zu prüfen und manchmal auch zu erkennen. Das beginnt mit der Interpretation der Stelleanzeigen. Beispielsweise deuten Junior-Positionen oder Formulierungen wie „erste Berufserfahrungen wünschenswert“ darauf hin, dass der Arbeitgeber keine Bewerber mit langjähriger Berufserfahrung sucht. Auch ein Blick auf die Arbeitgeberwebseite und Social Media kann oft aufschlussreich sein. Denn dadurch bekommen Bewerber einen Eindruck der Altersstruktur und der Diversität eines Teams.

Das alles können wichtige Informationen sein, durch die interessierte Personen erkennen, ob sich eine Bewerbung überhaupt den Aufwand lohnt.

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