Kaum ein Arbeitnehmer in einer Orientierungsphase, der sich diese Frage verkneift: Welche Chancen habe ich im öffentlichen Dienst? Von der Antwort sind die meisten überrascht, denn der zu zahlende Preis für eine sichere Anstellung als Referent oder Sachbearbeiter ist hoch.
Sicheres Einkommen, geregelte Arbeitszeiten, mit entfristetem Arbeitsvertrag praktisch unkündbar: Die Vorteile einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst sind schnell bei der Hand. Sie sprechen vor allem jene Menschen an, die auf Sicherheit und Stabilität aus sind oder bereits durch Ausbildung – zum Beispiel Verwaltungsfachangestellte – oder Studium, in erster Linie Juristen und Politologen, eine Staatsaffinität entwickelt haben. Und das ist durchaus legitim.
Prekäre Arbeitsverhältnisse an Hochschulen
Leider spiegelt das nicht immer die Realität wider. Vor allem jüngere Arbeitnehmer müssen mit befristeten Verträgen vorlieb nehmen, die mitunter schon von vornherein keine längere Perspektive bieten. Gerade an Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen gedeihen prekäre Arbeitsverhältnisse. Für Nachwuchswissenschaftler ist es unabdingbar, konsequent auf eine Professur hinzuarbeiten und sich nicht von Drittmittelprojekt zu Drittmittelprojekt zu hangeln. Wer das nicht tut, wird sich aufgrund des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes schnell in einer Sackgasse wiederfinden. Daher bedarf es einer hohen deutschlandweiten, besser sogar internationalen Mobilität, denn nur die wenigsten erhalten den ersten Ruf in Berlin.
Apropos unsere Hauptstadt: Selten war es so leicht wie heute, an einen Job im öffentlichen Dienst zu kommen. Dank der relativ hohen Zahl der Pensionierungen können längst nicht mehr alle Positionen über persönliche Netzwerke und politische Seilschaften vergeben werden. Größter Nachteil: Die meisten Positionen werden völlig unter Wert ausgeschrieben. Nicht selten liegt die Besoldung zwei Entgeltgruppen unter derjenigen, die für die entsprechende Ausbildung angemessen wäre. So weit, so unfair.
Keine Vorstellungsgespräche, sondern Interviews
Aber solange es noch genug Bewerber gibt, kann man es sich als Arbeitgeber erlauben. Besonders spürbar wird das in Vorstellungsgesprächen. Obwohl allein schon dieser Begriff falsch ist, denn in einem Gespräch unterhält man sich, bestenfalls auf Augenhöhe. In den Ämtern und Behörden finden dagegen strukturierte oder teilstrukturierte Interviews statt. Das bedeutet: einer fragt, und der andere hat zu antworten. Und allen Bewerbern werden die gleichen Fragen gestellt.
Das gleicht dann häufig einer Prüfung, da die Arbeitgeberseite weniger das Interesse hat, einen Menschen kennenzulernen, sondern die fachlichen (Vor-)Kenntnisse abzufragen. Im Übrigen unterschätzen die allermeisten externen Bewerber den erheblichen Vorbereitungsaufwand dafür – eine professionelle Unterstützung im Vorfeld sollte jedenfalls nicht gescheut werden, wenn man den Job wirklich will.
Leider ist das noch nicht alles: Wer meint, auch Ämter und Behörden müssten sich um gute Mitarbeiter bemühen, wird spätestens in einem solchen Interview aus dem Staunen nicht mehr heraus kommen. Menschlich distanziert, von oben herab. Und das Ganze meist noch vor einem Gremium, das durchaus zweistellig besetzt sein kann. Selbst Personen mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein müssen in solchen Momenten schlucken.
Welche Persönlichkeiten gesucht werden – und welche nicht
Über all dem schwebt die maßgebliche Frage des Rekrutierungsprozess, und das ist die der persönlichen Eignung (unter der Bedingung der formalen Qualifikation). Und damit sind wir am Kern des Trugschlusses angelangt: Viele Menschen verfügen, ohne es zu wissen, nicht über die persönlichen Voraussetzungen, um im öffentlichen Dienst zu arbeiten. Oder anders gesagt: Aufgrund ihrer Persönlichkeit sind sie ungeeignet, dem Staat zu dienen.
In Zeiten, in denen viele Menschen einen Sinn in ihrer beruflichen Tätigkeit suchen, ist es immer unwahrscheinlicher geworden, diesen im öffentlichen Dienst zu finden. Gerade gut ausgebildete Menschen sehnen sich danach, selbstbestimmt zu arbeiten, Ideen einzubringen und Entwicklungen mitzugestalten. Und genau das wird man im öffentlichen Dienst kaum finden.
Feste Strukturen und ausgeprägte Hierarchien
Wer andere Präferenzen hat, muss sich zumindest der Herausforderung stellen, sich in starre Strukturen zu integrieren. Viele Abläufe und Entscheidungsmöglichkeiten sind rechtlich geregelt und lassen Beamten und Angestellten nicht viele Freiheiten. Das ist eine rechtsstaatliche Errungenschaft und daher ein kostbares Gut. Für den öffentlich Beschäftigten bedeutet das wiederum, sich in einem engen Rahmen zu bewegen. Außerdem müssen sie die Kompetenzen anderer akzeptieren. Das betrifft vor allem die Entscheidungsbefugnisse von Vorgesetzten. Und die Hierarchien sind im öffentlichen Dienst in aller Regel stark ausgeprägt.
Feste Strukturen führen in der Regel zu Trägheit und Inflexibilität, was tatkräftige wie pragmatische Personen schnell belasten kann. Gerade dann, wenn äußere Einflüsse dafür sorgen, dass Arbeitsabläufe plötzlich völlig ineffizient werden, dauert es meist viel zu lange, bis sie im öffentlichen Dienst angepasst werden. Beispiele dafür gibt es unzählige, die Arbeit des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zwischen 2015 und 2017 ist nur eines der prominenteren Beispiele.
Viele Karrieren bleiben im Flaschenhals stecken
Wen das immer noch nicht abschreckt: Respekt! Mit einem so festen Willen könnte der öffentliche Dienst tatsächlich etwas für Sie sein. Vielleicht sogar eine Karriere im Höheren Dienst des Bundes!? Wenn da nicht der berüchtigte Flaschenhals wäre, der dafür sorgt, dass die meisten Beamten nicht über die Entgeltgruppe A 15 hinauskommen. Das bedeutet, dass Karrieren im öffentlichen Dienst meistens schon enden, bevor sie so richtig angefangen haben.
Ein sicheres Einkommen, geregelte Arbeitszeiten und der Status unkündbar haben eben einen hohen Preis.
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