Unzufriedenheit im oder mit dem Job kennt wohl fast jeder Erwerbstätige. Manchmal ist sie nur eine Momentaufnahme. Doch wenn das das Gefühl länger anhält, sollte gehandelt werden – vor allem, wenn Dritte daran einen großen Anteil haben.
Ein gutes Arbeitsverhältnis ist aus keiner Perspektive – Beschäftigte wie Führungskräfte – selbstverständlich. Für Arbeitnehmer besteht es aus der Summe vieler individueller Faktoren, die zusammen die materielle wie immaterielle Gegenleistung für die erbrachte Arbeitskraft darstellen. Zufriedenheit bedeutet meist, dass das Verhältnis stimmt. Entsteht aber eine Schieflage, steigt die Unzufriedenheit – und es kommt der Moment, zu handeln. Nur wie?
Der klassische Soziologe Albert O. Hirschman unterscheidet drei typische Reaktionsmuster auf Unzufriedenheit: Exit, Voice & Loyalty. Entweder entzieht sich die Person der Situation durch Weggang bzw. Flucht (Exit). Oder sie begehrt auf, indem Sie durch Widerspruch eine Veränderung erreichen möchte (Voice). Wem der Mut fehlt, weder das eine noch das andere zu wagen, kann sich dann nur noch den herrschenden Bedingungen fügen und seine Lage akzeptieren (Loyalty). Prozessual gesehen können Menschen mehr als nur eine dieser Handlungsoptionen nutzen.
Warum es vielen schwerfällt, den richtigen Zeitpunkt für Widerspruch zu erkennen
Widerspruch ist oft der erste Impuls bei Unzufriedenheit, wenn andere Personen maßgeblich dazu beitragen. Ein klärendes Gespräch kann in der Tat ausreichen, um eine unbefriedigende Situation zu seinen Gunsten zu entschärfen. Leider gibt es einige Personen, die durch ihr Verhalten zeigen, nicht gerade gesprächsbereit zu sein. Es trotzdem einzufordern kostet dann schon Überwindung. Schwierig wird es außerdem, wenn es keinen eindeutigen Grund für die Unzufriedenheit gibt, weil viele Kleinigkeiten zusammenkommen. Manchmal entspringt es auch einem toxischen Führungsstil, Grenzen sukzessive zu verschieben.
Und gehört es denn nicht zum Berufsleben dazu, sich auch mal etwas gefallen lassen zu müssen? Wir sind doch belastbar und wollen nicht gleich bei etwas Gegenwind einknicken! Viele Menschen tragen nicht ganz unproblematische Glaubenssätze in ihrem innersten – „Stell dich nicht so an!“ ist einer der berüchtigtsten und verleitet Menschen dazu, in letzter Konsequenz ihre Gesundheit aufs Spiel zu setzen.
Zu erkennen, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, gewisse Dinge offen anzusprechen, ist daher tatsächlich nicht leicht. Und selbst wer sich dazu durchgerungen hat, steht vor der spannenden Frage, wie er sein Anliegen erfolgversprechend vortragen kann. Je nach Situation und Unternehmenskultur sollten dann das Format – es muss nicht immer gleich ein formelles Personalgespräch sein – und die Wahl der Gesprächspartner sorgfältig überlegt sein.
Jede Situation ist einzigartig – erfolgversprechendes Vorgehen hängt von vielen Details ab
Die Argumentationsstruktur erfolgt am besten auf der Grundlage von Ich-Botschaften. Auch bei größter Unzufriedenheit sollte dies weitestgehend emotionslos und ohne explizite Vorwürfe an den Gesprächspartner geschehen. Kritik wird leichter angenommen, wenn sie konstruktiv und wertschätzend kommuniziert wird. Zu berücksichtigen sind dabei zahlreiche Faktoren, die das Arbeitsverhältnis und die jeweilige Situation charakterisieren.
Außerdem sollten Einwände und Gegenpositionen des Gesprächspartners antizipiert werden, um im Gespräch nicht allzu schnell in eine defensive Position gedrängt zu werden. Das kann insbesondere bei eloquenten Gesprächspartnern nur allzu schnell passieren. Es gibt daher sehr viele Details zu berücksichtigen, weswegen es auch keine Standard-Lösungen für solche Gespräche geben kann. Eine gezielte Vorbereitung mit einem erfahrenen Jobcoach kann jedenfalls überaus wertvoll sein.
Die Absicht des Gesprächs, eine Veränderung herbeizuführen, sollte zu keiner Zeit aus den Augen verloren werden. Im Vorteil ist jeder, der sich vorher klare Ziele überlegt inklusive eins idealen Ergebnisses und der absoluten Mindesterwartung. Nicht jeder kann das Maximum erreichen, weil mitunter Informationen zur ganzheitlichen Beurteilung der Lage fehlen. Trotzdem helfen die eigenen Zielvorstellungen zu erkennen, ob das Gespräch wirklich etwas gebracht hat.
Bleiben Sie selbstbewusst und kompromissbereit
Besser als selbst die gewünschten Änderungen zu formulieren, ist es, seinen Gesprächspartner argumentativ zu diesem Punkt zu führen. Wenn das Gegenüber selbst das vorschlägt, was die andere Person erreichen wollte, ist sehr viel gewonnen. Doch das gelingt eher selten – oft muss man seinen konkreten Wunsch selbst formulieren. An diesem Punkt ist es ganz besonders wichtig, selbstbewusst wie nervenstark zu bleiben und dies durch die entsprechende Körpersprache zu unterstreichen.
Es kann dann sein, dass der Gesprächspartner eine Gegenleistung erwartet. Die eigene Kompromissbereitschaft sollte bereits vorher bedacht werden, um sich in diesem Moment nicht überraschen zu lassen. Eine Kunstpause, die ernsthaftes Nachdenken suggeriert, kann nichtsdestotrotz helfen dem Gesprächspartner den Eindruck zu vermitteln, einen Teilsieg errungen zu haben. Getreu dem Motto Geben und Nehmen.
Sollte dem Gespräch eine Lösungsmöglichkeit entsprungen sein, die haarscharf die eigenen Mindesterwartungen verfehlt, ist es ratsam, Bedenkzeit zu erbitten. Dies unterbindet die Gefahr, eine vorschnelle Entscheidung zu treffen, egal in welche Richtung. Trotzdem muss es eine Konsequenz geben. Das gilt erst recht, wenn das Gespräch im Sinne des Beschäftigten rundheraus gescheitert oder die Lösung nicht nachhaltig ist.
Wer keine Änderung erwirkt hat, fügt sich oder geht
Dann kommt es zwingend zu einer der beiden anderen Reaktionsmöglichkeiten. Eine Option ist es, sich zu fügen (Loyalty). Die häufigste Ursache dafür (und weit vor allen anderen) ist die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren und daraus gravierende Nachteile, vor allem monetäre, zu ziehen. Im Zeitalter des demographischen Wandels und des Fachkräftemangels ist diese Befürchtung häufiger übertrieben als begründet. Dennoch: Wer sich trotz anhaltender erheblicher Unzufriedenheit mit der Situation abfindet, kann kaum vermeiden, seine (berufliche) Persönlichkeit zu verändern.
Ich selbst habe einige gebrochene Menschen kennengelernt, nicht nur im öffentlichen Dienst. An die Stelle von Engagement, Einsatzfreude und Eigeninitiative treten Zurückhaltung, Dienst nach Vorschrift und die innere Kündigung. Vielleicht kann man dieses Verhalten auch als stillen Protest deuten, aber die Fügung steht klar im Vordergrund. Für dominante wie redegewandte Führungskräfte bedeutet das wiederum, dass sie in dem damaligen Gespräch nur einen Pyrrhus-Sieg errungen haben. Die Unzufriedenheit bleibt und wirkt sich eindeutig negativ auf die Leistungsfähigkeit und manchmal auch auf die Stimmung im Team aus.
Noch deutlicher wird diese tatsächliche Niederlage, wenn der inneren Kündigung unmittelbar die förmliche folgt. Ein Weggang (Exit) ist die dritte mögliche Konsequenz von Unzufriedenheit und derart komplex, dass ich mir meine Gedanken dazu für den kommenden Beitrage aufhebe.
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