Teamfähigkeit gilt als eine der bedeutendsten sozialen Kompetenzen. Doch der Begriff ist weit diffuser, als er auf den ersten Blick erscheint.
Definitionen und Erläuterungen von Teamfähigkeit zu finden, ist nicht schwierig. Es gibt zahllose Annäherungen an den Begriff, die sich entweder auf den Kern der Bedeutung beziehen oder die umfangreichen unterschiedlichen Variationen beleuchten. Alle eint das Ziel, mit einem grundlegenden Verständnis eine Vorstellung zu entwickeln, was gute Teamarbeit sein kann.
Aus kultureller und linguistischer Perspektive erscheint mir durchaus erwähnenswert, dass wir in der deutschen Sprache keinen eigenen Begriff entwickelt haben und uns anstatt dessen eines Anglizismus bedienen. Ganz offensichtlich hat das damit zu tun, dass wir in Deutschland erst vergleichsweise spät erkannt haben, was ein Team überhaupt ist und wie es sich von anderen sozialen Gruppen unterscheidet.
Die persönlichen Ziele dürfen den gemeinsamen nicht widersprechen
Im Wesentlichen besteht ein Team aus mindestens zwei Menschen, die zusammenarbeiten, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen oder eine Aufgabe zu erledigen. Also immer dann, wenn eine Aufgabe nicht von einer einzelnen Person erfüllt werden kann. In einer immer komplexeren Arbeitswelt gilt das nicht nur situativ, sondern kontinuierlich. Denn erst durch Arbeitsteilung wird es möglich, anspruchsvolle Aufgaben zu bewältigen und zu hochgesteckten Zielen zu gelangen.
Doch schon in dieser recht simplen Annäherung steckt bereits eine Menge Zündstoff. Denn jeder Mensch ist von Natur aus eigennützig und verfolgt eigene Ziele, die automatisch einen potentiellen Interessenkonflikt begründen. Sich diese persönlichen Ziele bewusst zu machen und sie zumindest partiell den gemeinsamen Zielen eines Teams unterzuordnen ist eine Fähigkeit, die nicht alle Menschen entwickeln.
Der Mindestanspruch ist daher, dass die persönlichen Ziele nicht im Widerspruch zu den Team-Zielen stehen dürfen. Doch Interessen- und Zielerreichungskonflikte entstehen bereits dann, wenn die persönlichen Ziele einzelner Teammitglieder eine Konkurrenz begründen. Und weil das wiederum das natürlichste der Arbeitswelt ist, ist Teamfähigkeit grundsätzlich keine Selbstverständlichkeit. Doch je weniger ein Ausbalancieren und Austarieren, Mediation und Kompromissfindung dieser unterschiedlichen persönlichen Ziele erforderlich ist, desto größer ist das Potential für gute Teamarbeit.
Der Einfluss kultureller Heterogenität auf Teamarbeit
Darüber hinaus existieren noch weitere fundamentale Anforderungen an Teamfähigkeit. Vor allem bedarf es einer positiven Grundeinstellung zur Zusammenarbeit mit anderen. Gute Teams müssen weit mehr sein als Zweckgemeinschaften, wollen sie auch in Krisen bestehen. Mit anderen gut zu kooperieren bedarf neben weiteren sozialen auch entsprechender kommunikativer Kompetenzen. Das gilt sowohl für den reinen Wissensaustausch und die fachliche wie prozessuale Abstimmung als auch in Bezug auf gegenseitigen Respekt und Wertschätzung. Mit anderen Worten: Echter Teamgeist entsteht nicht automatisch, ist aber von größtem Nutzen.
Besonders anspruchsvoll wird dieser Anspruch bei großen kulturellen Differenzen zwischen den Teammitgliedern. Wesentliche Faktoren sind Unterschiede hinsichtlich Herkunft und Sozialisation, Werte und Weltanschauung, Alter und Geschlecht, Bildungsgrad und Persönlichkeit. Grundsätzlich gilt: Je diverser Teams zusammengesetzt sind, desto anspruchsvoller wird in aller Regel die Zusammenarbeit. Daraus jedoch abzuleiten, dass eine Monokultur das Fundament eines jeden funktionierenden Teams sei, ist nicht nur wirklichkeitsfremd, sondern auch nicht effizient.
Tatsächlich erscheint es gerade mit Blick auf Persönlichkeit und die damit verbundenen individuellen Charaktereigenschaften und Vorzüge geboten, Teams heterogen zusammenzusetzen. Die Idee dahinter ist einleuchtend: Die Stärken des einen gleichen die Schwächen des anderen aus und umgekehrt. Und weil dieses Prinzip auf unzählige Dimensionen hin angewandt werden kann, verfügen gerade Teams mit hoher Diversität über ein enormes Leistungspotential.
Menschen können ein Team auf sehr unterschiedliche Arten bereichern
Insofern müssen wir wegkommen von einem stereotypen Verständnis von Teamfähigkeit bestehend aus den Eigenschaften gut zuhören und andere ausreden lassen zu können, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen, kompromissbereit zu sein und Kritik vertragen zu können. Damit kein Missverständnis entsteht: Das sind grundsätzlich positive wie wünschenswerte Eigenschaften. Aber Teamfähigkeit ist sehr viel komplexer, als diese Begriffe ausdrücken.
Mir persönlich sagt dagegen viel mehr die Auffassung zu, nach der Menschen sich auf sehr unterschiedliche Arten gewinnend in Teams einbringen können. Nach Meredith Belbin können wir auch von Teamrollen sprechen, die Menschen einnehmen können. In meinen Coachings befähige ich oft Menschen dazu, ein bewusstes Rollenverständnis in Teams zu entwickeln. Das bedeutet einerseits zu wissen, was die individuellen Stärken sind, mit denen eine Person ein Team bereichern kann.
Andererseits geht es darum, in Teams darauf zu achten, tatsächlich dann auch solche Rollen einzunehmen. Oft entwickeln gerade neue Teammitglieder ein spezifisches Verhalten, das das Team weiterhelfen kann, um so von den anderen Mitgliedern anerkannt zu werden. Dabei rutschen sie mitunter unbewusst in Teamrollen, die nur wenig mit den persönlichen Stärken und Vorlieben zu tun haben und daher über kurz oder lang zu wachsender Unzufriedenheit führen.
Belbins neun Teamrollen
In der Festigung des eigenen Rollenverständnis, was sich vor allem bei mehrjähriger Berufserfahrung eignet, setze ich meist den sogenannten Belbin-Teamrollentest ein. Dieser Test hat die große Stärke, Menschen nicht in Schubladen zu stecken und trotzdem Erkenntnisse zur individuellen Teamfähigkeit zu gewinnen. Im Wesentlichen geht es darum festzustellen, welche der folgenden neun von Belbin definierten Teamrollen grundsätzlich von einer Person besetzt werden können:
- Der Koordinator gilt dank seiner Reife, seiner Entschlusskraft und seines Organisationstalents häufig als der optimale Teamleiter.
- Wegbereiter sind sehr kommunikative und extrovertierte Menschen. Ihre Stärke liegt in der Fähigkeit, neue Kontakte zu knüpfen, weshalb sie oft außerhalb des Teams agieren.
- Teamarbeiter gelten als die gute Seele eines Teams und sind daher oft beliebt. Sie zeichnen sich vor allem durch ihre einfühlsame, kommunikative und ausgleichende Art aus.
- Der Spezialist verfügt über fachliche Expertise in einem Themenbereich. Das prädestiniert ihn für die technischen und fachlichen Aspekte einer Aufgabe.
- Der Beobachter zeichnet sich durch ein gutes Urteilsvermögen aus, mit dem er Vorschläge und Ideen auf Nutzen und Umsetzbarkeit prüft. Er gilt als analytisch und besonnen.
- Erfinder gelten als fantasiereich, besitzen enorme Kreativität und inspirieren so ihr Umfeld. Sie entwickeln Visionen und befassen sich eher weniger mit Details.
- Umsetzer verfügen über großes Organisationstalent, Pflichtbewusstsein, Disziplin und Zuverlässigkeit. Auch sie sind häufiger in Führungspositionen anzutreffen.
- Der Macher steckt voller Energie, wehrt sich gegen Trägheit und ist somit der Antreiber in einem Team. Selbst unter Druck bleibt er belastbar und spornt seine Kollegen an.
- Perfektionierer achten darauf, dass ein Plan bis ins Detail eingehalten wird. Sie eignen sich von ihrer Persönlichkeit her vor allem für Aufgaben in der Qualitätskontrolle.
Warum das Rollenverständnis wichtig für Teamfähigkeit ist
Eine wesentliche Annahme besteht darin, dass die allermeisten Menschen nicht auf eine einzige Rolle festgelegt sind. Tatsächlich ist es auch nicht unüblich, dass Arbeitnehmer in einer Position zwei oder noch mehr Teamrollen einnehmen. Ungünstig wäre es, wenn jemand zu sehr auf eine Rolle festgelegt ist, was insbesondere in Veränderungsprozessen zu einer Herausforderung werden kann.
Wer dagegen kein eigenes Rollenverständnis entwickelt, geht das Risiko ein, ein unverbindlich-diffuses Bild seiner Persönlichkeit abzugeben. Was bei Berufsanfängern fast normal und bei Soloselbständigen nachvollziehbar ist, wäre bei anderen Personengruppen durchaus problematisch. Jedenfalls wäre es nicht mehr so einfach, von Teamfähigkeit zu sprechen. Denn die Wahrscheinlichkeit sinkt, entsprechend der eigenen Persönlichkeit und den Stärken im Team eingesetzt zu werden, um es so zu bereichern.
Im Dezember werde ich an dieser Stelle den zweiten Teil publizieren – dann geht es um digitale Teamfähigkeit.
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