Soft Skills sind für ein erfolgreiches Berufsleben essentiell. Gleichzeitig tun sich viele Erwerbstätige schwer, sie in ein kohärentes Konzept ihrer selbst zu übertragen – und bleiben so in einem diffusen Persönlichkeitsnebel hängen. Teil 2 der Reihe über Soft Skills.
Im Mai hatte ich hier bereits erläutert, wie Bewerberinnen und Bewerber mit Soft Skills punkten können. Oder punkten müssen, um sich gegen eine starke Konkurrenz durchzusetzen. In diesem Zusammenhang stellt sich zwangsläufig die Frage, warum sie so relevant sind wie noch nie, diese Soft Skills oder persönlichen Stärken bzw. Fähigkeiten. Und was wir tun können, um sie zu identifizieren, analysieren und reflektieren.
Warum Faktenwissen allein schon lange nicht mehr ausreicht
Ein wesentliches Merkmal unserer Arbeitswelt ist die enorme Geschwindigkeit des wachsenden Wissens, der rasanten Weiterentwicklung technischer Möglichkeiten und der damit zusammenhängenden Veränderungen. Noch nie in der Geschichte der Menschheit war das Tempo so hoch – und die Beschleunigung hält weiter an. In der VUCA-Welt der permanenten Unbeständigkeit, Unsicherheit, steigenden Komplexität und Mehrdeutigkeit und dürfen wir uns durchaus fragen, was das vermittelte Wissen eines Studiums oder einer Berufsausbildung noch wert ist, wenn es bereits nach einigen Jahren weitgehend obsolet geworden ist.
Daher dürfen Fakten und Wissen nicht als Selbstzweck vermittelt werden, sondern müssen als Beispiel für die Entwicklung einer umfassenden Handlungskompetenz dienen. Letztere steht und fällt mit den Schlüsselkompetenzen. Mit ihnen sollen Erwerbstätige in die Lage versetzt werden, immer wieder neu auftretende Probleme und Herausforderungen zu meistern. Das setzt nicht nur eine entsprechende Haltung, sondern auch ein ganzes Set an Soft Skills voraus.
Die drei wesentlichen Funktionen von Soft Skills
Im jährlichen Future of the Jobs Report des World Economic Forum werden basierend auf Umfragen die Fähigkeiten ermittelt, die in einzelnen Ländern in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen werden. Für Deutschland sind, generalisiert über Branchen hinweg, das die Top 5:
- Active learning and learning strategies
- Analytical thinking and innovation
- Complex problem-solving
- Resilience, stress tolerance and flexibility
- Leadership and social influence
Um Missverständnisse zu vermeiden: Soft Skills sind nicht wichtiger als Hard Skills, also fachliche Fähigkeiten. Aber Soft Skills sind elementar dafür, erstens die erworbenen Hard Skills zu erhalten, zweitens unter wechselnden Anforderungen leistungsfähig zu bleiben und drittens mit anderen zusammenzuarbeiten. Daher ist es üblich, sie in unterschiedliche Kompetenzarten zu trennen, etwa in sozial-kommunikative, personale und methodische Kompetenzen. Allerdings ist die Unterscheidung nicht einheitlich, weshalb es auch nicht das eine Konzept der Soft Skills gibt.
Bleibt die Frage, wie Erwerbstätige sich ihre Soft Skills vergegenwärtigen können. In Coachings mit überschaubarer Reflexionstiefe gibt es eine beliebte Übung: Ein Klient erhält eine lange Liste persönlicher Eigenschaften und kreuzt jene an, über die er im Selbstbild verfügt. Unabhängig von Alter oder Bildungsgrad habe ich dabei festgestellt, dass viele Menschen der Meinung sind, dass sie über die meisten Soft Skills verfügen. Ob das nun einen Hang zur Selbstüberschätzung offenbart oder gesundes Selbstvertrauen, sei dahingestellt. Ich neige jedenfalls, je größer die beruflichen Erfolge der jeweiligen Person gewesen sind, eindeutig zu Letzterem.
Drei Prüfebenen gegen die eierlegende Wollmilchsau
Das eigentliche Problem dabei aber ist, dass wir dadurch kaum in der Lage sind, unsere besonderen persönlichen Stärken zu identifizieren. So geben wir wahlweise ein beliebiges wie diffuses Bild unseres Selbst ab oder das der menschgewordenen eierlegenden Wollmilchsau. Der Ansatz bleibt jedoch korrekt: Man nehme eine lange Liste denkbarer Soft Skills als Fundament des Reflektionsprozess. Anstatt der ja/nein-Einschätzungsoption ist es aber hilfreicher, die Eigenschaften zu hierarchisieren, um aus der absoluten Wahrnehmung in eine relative zu kommen.
Noch klarer wird das Bild, wenn Sie Soft Skills im Rahmen einer Potentialanalyse auf drei Ebenen prüfen:
- Um welche persönliche Stärke handelt es sich? Wie definiere ich sie – und habe ich sie bereits im Berufsleben nachweislich erworben?
- Bin ich motiviert, diese Stärke zu einem Kern meiner beruflichen Tätigkeit zu machen? Mit anderen Worten: Möchte ich sie überhaupt einsetzen?
- Wurde diese persönliche Stärke von anderen als solche akzeptiert? Ist sie wirklich etwas, womit ich mich von anderen in meiner Branche abhebe oder ist sie nicht vielleicht doch selbstverständlich?
Ein weiterer spezieller Ansatz liegt darin, die eigene Persönlichkeit auf Situationen zu beziehen, in denen wir mit anderen zusammenarbeiten. Es geht also um Teamfähigkeit (als Teil der sozial-kommunikativen Fähigkeiten), die sich viele zuschreiben, aber nur wenige überzeugend erläutern können. Tatsächlich kann Teamfähigkeit sehr unterschiedlich interpretiert werden. Und weil das so ist, lassen sich mehrere Teamrollen voneinander unterscheiden. Welche Ihnen liegen, lässt sich recht einfach mit dem Belbin-Teamrollentest und einem anschließenden Auswertungsgespräch feststellen.
Soft Skills helfen beim Verständnis der Persönlichkeit
Mit diesen Ansätzen kann es Ihnen gelingen, sich selbst besser zu verstehen. Denn Sie werden feststellen, dass sich einige Soft Skills plötzlich relativieren, während andere an Signifikanz gewinnen. Von da ist es dann nicht mehr weit, erste Rückschlüsse auf die Persönlichkeit eines Erwerbstätigen zu ziehen. (Ich verwahre mich an dieser Stelle ausdrücklich dagegen, das auf das Individuum – also den gesamten Menschen – anzuwenden, denn die zugrunde liegenden Fragen sollten ausschließlich im beruflichen Kontext beantwortet werden. Insofern halte ich auch nicht viel von Persönlichkeitstests in der Personaldiagnostik wie etwa die Big Five, weil sie diese Unterscheidung fast immer ignorieren.)
Doch um die Persönlichkeit besser begreifen zu können, sollten Sie darüber hinaus auch Ihre Werte, grundlegenden Ziele und Motive sowie die Haltung zu wesentlichen Fragen im beruflichen Kontext miteinbeziehen. Soft Skills schlagen also letztendlich nicht die Hard Skills – die Persönlichkeit schafft das aber allemal.
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