Viele Kunden, mit denen ich in den letzten Jahren zusammengearbeitet habe, haben von sich aus eine berufliche Karriere ausgeschlossen. Doch das liegt vor allem daran, dass damit falsche Assoziationen verknüpft sind und alternative Interpretationen außer Acht gelassen werden.
Vielleicht erinnern Sie sich daran, als Sie noch von einer Karriere geträumt haben. Möglicher Weise während des Studiums oder der Ausbildung. Wie dieser Traum nach ersten Praktika und Nebentätigkeiten Risse bekam, und wie Sie ihn später mit Blick auf andere berufliche wie private Präferenzen ad acta gelegt haben. Bereut haben Sie das sicher nicht.
Warum wir Karriere neu denken müssen
Bevor ich erläutere, warum genau das etwas voreilig gewesen sein könnte, möchte ich kurz einen Blick auf die gängigen Stereotype von Karrieristen werfen. Wenn beispielsweise von jemandem gesagt wird, er oder sie habe Karriere gemacht, verbinden wir damit meist Managementpositionen und die Übernahme von Führungsverantwortung. Was anderes kommt uns meist gar nicht in den Sinn. Und das ist nachvollziehbar, denn genau diese falsche Wahrnehmung von Karriere dominiert nach wie vor in vielen Branchen.
Nun wurde schon vor einiger Zeit festgestellt, dass mit diesem eingeengten Karrierebegriff eine mangelnde Wertschätzung denjenigen gegenüber einhergeht, die eben nicht managen und führen wollen – aber für manche Unternehmen weit weniger verzichtbar sind als etwa ein Geschäftsführer. Das sind z.B. Entwicklungsingenieure, die mit innovativen Ideen Produkte auf den Weg bringen, die in überaus schnelllebigen Zeiten die internationale Wettbewerbsfähig ihrer Unternehmen sichern (im Gegensatz zu den grundsätzlich austauschbaren betriebswirtschaftlichen Leitern).
Der Klassiker steht nur wenigen offen
Aus diesen Beobachtungen heraus kam es zu einer Erweiterung des Begriffs Karriere. Selbstverständlich bleibt die Führungskarriere dem Kanon erhalten. Sie bedeutet aber nicht, allein Vorgesetzter zu sein und vielleicht ein Team zu führen, sondern die Abfolge von Führungspositionen inklusive Entwicklung nach oben. Manch einer hat es soweit gebracht, Top-Positionen in sehr unterschiedlichen Branchen zu bekleiden. Ein Paradebesipiel ist Hartmut Mehdorn, der einem Hersteller von Druckmaschinen, dem Staatskonzern Deutsche Bahn, einer Airline und einem Flughafenbetreiber vorstand.
Tatsächlich bleibt eine Führungskarriere nur sehr wenigen vergönnt – wer sie anstrebt, sollte die dazu notwendigen Schritte strategisch planen und bereit sein, das Privatleben dem großen Ziel unterzuordnen. Aber wie bereits angedeutet, führt eine nachvollziehbare Entscheidung gegen eine Führungskarriere eben nicht dazu, dass man auf eine Karriere grundsätzlich verzichtet. Nur was sind die beiden gängigen Alternativen?
Spezialisierung als Karriere
Zunächst die sogenannte Fachkarriere. Sie bedeutet eine Spezialisierung auf einen ganz konkreten fachlichen Bereich. Wenn bei Profisportlern von Karrieren gesprochen wird, dann steht genau diese Interpretation dahinter. Auch Künstler – zum Beispiel Schauspieler oder Musiker – haben sich in aller Regel für eine Fachkarriere entschieden, genauso wie Professoren, zertifizierte Sachverständige und Fachanwälte.
Aber auch hier bedeutet Karriere nicht Stillstand. Während Künstler ihr Repertoire erweitern, reduzieren oder anderweitig anpassen, müssen Spitzensportler ihre Techniken kontinuierlich trainieren, sich taktisch weiterentwickeln und gegebenenfalls innovativ auf Regeländerungen reagieren. Auch alle anderen müssen Schritt halten, um fachlich auf dem aktuellsten Stand zu bleiben.
Auch Fachkarrieren sollten geplant sein
Insofern sollten auch alle Beschäftigten (und Freelancer) ihre Fachkarriere entsprechend mit Bedacht planen. Der Klassiker zum Einstieg kann eine Promotion sein, ist aber meist weniger relevant als die Wahl der Stationen im Werdegang. Während Führungskarrieristen schnell wechseln sollten, um vielseitige Erfahrungen zu sammeln und bestenfalls universale Verwendbarkeit zu demonstrieren, können Fachkarrieristen immerhin länger in ihren Positionen bleiben.
Da es aber auch hier wiederum Variationen gibt, ist nicht immer klar, welcher Weg tatsächlich zum Erfolg führen kann. Um nur drei typische Fragen zu stellen: Welche Weiterbildungen sind relevant und anerkannt? Wie entwickeln sich die äußeren Rahmenbedingungen? Wann laufe ich Gefahr, in eine zu kleine Nische zu geraten? Das alles sind Fragen, die man mit einem erfahrenen Coach oder Mentor häufig leichter beantworten kann.
Definition über Projekte
Die zweite Alternative zum Management ist die sogenannte Projektkarriere. Wenn man so will, kombiniert sie die beiden ersten Optionen, da sowohl Elemente der Steuerung als auch fachliches Wissen zusammenfließen. Weil Projekte zeitlich begrenzt angelegt sind, garantiert eine solche Laufbahn auch Abwechslung. Gerade das erscheint vielen Beschäftigten nicht ganz unattraktiv, vor allem im Gegensatz zu den mitunter eintönigen Fachkarrieren oder zum großen Aufwand in der Führung. Die Projektkarriere steht aber nicht allen gleichermaßen offen, denn beileibe nicht in allen Berufen werden Tätigkeiten über Projekte definiert.
Ich bin der Meinung, dass Berufsanfänger diese grundsätzlichen Optionen zumindest im Blick haben sollten und sonst durchaus die Dinge auf sich zukommen lassen können. Es sei denn, sie wollen führen, dann sollte man frühestmöglich darauf hinarbeiten. Bei allen anderen dauert es häufig einige Jahre, bis sie sich entscheiden sollten – die Mitte des vierten Lebensjahrzehnts (um 35) ist jedenfalls ein passabler Zeitpunkt. Grundsätzlich gilt aber, je später die Entscheidung, desto schwieriger wird die Zielerreichung.
Karrierewechsel sind möglich
In der Praxis gibt es neben diesen Idealtypen natürlich viele Überschneidungen und Kombinationen. Neben der Planung bedarf es aber auch einer wohlüberlegten Selbstvermarktung, um die angestrebten Ziele zu erreichen. Das wird bei Karrierewechseln ganz besonders wichtig. Das gilt dann, wenn man nicht mehr führen möchte. Oder wenn die Nische zu klein wird. Oder wenn Projekte mit ständiger Unsicherheit verbunden sind.
Und, fast hätte ich es vergessen, gibt es natürlich noch eine dritte Alternative: Keine Karriere. Aber mit den hier beschriebenen anderen beiden dürfte das eigentlich keine Option mehr sein.
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