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Tipps aus der Praxis, die wirklich weiterhelfen

Willkommen im Haus der Veränderung

Veränderung statt Stillstand scheint das prägende Motto der Arbeitswelt zu sein. Wir stecken mittendrin und können uns kaum dagegen wehren. Gerade in Phasen der beruflichen Neuorientierung ist es von großem Vorteil, bewusster mit Veränderung umzugehen.

Menschen nehmen Veränderung ganz unterschiedlich wahr. Veränderung kann Bedrohung sein, wenn sie mit Verlust – von Einkommen, liebgewordenen Gewohnheiten, eigenen Meinungen, nahestehenden Menschen – einhergeht. Veränderung kann aber auch Verbesserung durch Gewinn bedeuten. Und dann kann Veränderung auch noch beides zugleich sein. Zumindest in Deutschland scheint es aber so zu sein, dass die meisten Menschen häufiger dazu neigen, Veränderung nicht als Chance wahrzunehmen – gerade im Berufsleben.

Die VUCA-Welt ist per Definition unbeständig, unsicher, komplex und mehrdeutig. Rasante Veränderungen durch technologischen Fortschritt und dynamische politische Rahmenbedingung sind zum Normalfall geworden. Immer mehr Menschen haben das Gefühl, nicht mehr Schritt halten zu können. Nur leider haben wir einfach keine Wahl, solange wir im Berufsleben stehen, worauf ich an dieser Stelle schon mehrfach hingewiesen habe.

Berufliche Neuorientierung im Haus der Veränderung

Wer bisher wenig Schwierigkeiten hatte, Veränderungen lösungsorientiert anzugehen, verfügt wahrscheinlich über eine erstklassige Bildung, Hands on-Mentalität, eine überdurchschnittliche Resilienz und oder einen gesunden Optimismus. Wer sich nicht dazu zählt, kann zumindest die eigene Veränderungskompetenz stärken. Besonders geeignet ist das „Haus der Veränderung“, das auf den schwedischen Psychologen Claes Janssen zurückgeht. Auch Erwerbstätige in Phasen beruflicher Umorientierung können sehr davon profitieren.

Das Haus der Veränderung besteht aus vier Zimmern, die den Gemütszustand von Menschen in Veränderungsprozessen spiegeln. Das Konzept ist eine Weiterentwicklung der Change-Kurve von Elisabeth Kübler-Ross bestehend aus Schock, Leugnung und Ablehnung, rationale Einsicht, emotionale Akzeptanz, Lernen, Erkenntnis und Integration. Die (meiner Auffassung nach völlig korrekte) Annahme ist, dass Menschen ohne Ausnahme alle vier Zimmer durchlaufen, allerdings mit unterschiedlicher Verweildauer.

Das Zimmer der Zufriedenheit – „Never change a running system“

Das Zimmer der Zufriedenheit ist die Komfortzone, in der es sich Menschen gerne gemütlich machen. Die Umgebung ist geordnet, Abläufe sind routiniert, die berufliche Tätigkeit wirkt beherrschbar. Das meiste (wenn nicht alles) unterliegt der eigenen Kontrolle, die wahrgenommene Handlungsautonomie ist entsprechend hoch. Menschen fühlen sich wohl und geborgen und genießen diesen Zustand, bis eine eintretende Veränderung den Status quo zum Wanken bringt. Das kann ein Schockmoment sein wie eine unerwartete Kündigung oder die schleichende Erkenntnis, dass die bisherige Vorstellung der eigenen Karriere wohl nicht realisierbar ist.

Nicht alle Menschen ziehen daraus umgehend folgerichtige Schlüsse. Mitunter wird die sich abzeichnende Veränderung sogar weiter ignoriert oder kleingeredet. Diese Gefahr ist besonders dann hoch, wenn extrinsische Antreiber Veränderung initiieren. Erst wenn klar ist, dass die Veränderung unausweichlich ist, betreten Menschen das nächste Zimmer im Haus der Veränderung, das Zimmer der Ablehnung.

Das Zimmer der Ablehnung – „Das darf doch nicht wahr sein“

Erst jetzt wird Veränderung bewusst wahrgenommen, allerdings oft mit einer Diskrepanz zwischen ratio und emotio. Denn obwohl klar zu sein scheint, dass eine Veränderung unausweichlich ist, ist insgeheim immer noch Hoffnung da, sie erfolgreich abwehren zu können. Psychologen gehen davon aus, dass Menschen mit starken Emotionen das Gefühl der Kontrolle wiedererlangen wollen. Die Ablehnung soll sozusagen den Kontrollverlust kompensieren, der wiederum dem Sicherheitsempfinden entspringt.

Je geringer die Veränderungskompetenz, desto größer werden Kontrollverlust und Bedrohung durch Veränderung wahrgenommen. Und desto größer sind die erlebten Emotionen: Sie äußern sich durch Angst, Wut und Widerstand. Während diese Phase in Organisationen mit grundlegendem Change Management besonders herausfordernd weil konfliktintensiv ist, ist sie in beruflichen Umorientierungsprozessen weniger relevant. Jedenfalls treffe ich im Coaching von Fach- und Führungskräften meist auf Kunden, die bereits ein Zimmer weitergezogen sind.

Das Zimmer der Verwirrung – „Ich weiß nicht mehr weiter“

Jetzt hat die erwerbstätige Person schließlich verstanden, dass sich etwas ändern wird oder ändern muss. Oft kommt es zuerst zur rationalen, zeitversetzt dann auch zur emotionalen Einsicht, dass der Status quo nicht aufrechterhalten werden kann.  Die wahrgenommene Kontroll- und Steuerungskompetenz ist auf dem Tiefpunkt. Denn die betroffenen Personen wissen nur, was nicht geht – neue Lösungen sind noch nicht in Sicht.

In diesem Tal der Tränen geht es den Menschen schlecht, mitunter mit negativen Auswirkungen auf die Gesundheit. Traurigkeit und Frust werden zu dominierenden Gefühlen. Es fehlt oft an Orientierung, während der Wunsch nach externer Hilfe und Unterstützung wächst. In der beruflichen Umorientierung kann sie durch Informationsbeschaffung und Reflexion erfolgen, wobei eine individuell ausgerichtete Unterstützung deutlich wertvoller ist als allgemeine Ratgeber.

Das Zimmer der Erneuerung – „Land in Sicht!“

Erst jetzt nehmen Menschen die Veränderung wirklich an. Erste Erkenntnisse lassen die Orientierungslosigkeit langsam weichen, selbst wenn zunächst das Ausschlussprinzip dominieren sollte. Besonders förderlich wirkt dabei der wahrgenommene Anstieg der Kontrollkompetenz: Erwerbstätige sehen sich nicht mehr als Spielball einer Entwicklung, sondern beginnen, den Prozess zu steuern und zu gestalten. Kleinere Rückschläge werden leichter verarbeitet und längst nicht mehr als tiefgreifende Bedrohung empfunden.

Neben dem Gefühl der Freude über die zurückgewonnene Kontrolle stellt sich oft auch der Zustand der Müdigkeit und Erschöpfung ein. Denn der Weg war anstrengend, wenn man sich in den vorherigen Zimmern gewehrt, sich emotional aufgerieben und gegen den Verlust der Kontrolle angekämpft hat. Wer nicht nur beruflich, sondern zeitgleich auch privat von einer tiefgreifenden Veränderung betroffen ist, wird diese Erschöpfung besonders intensiv spüren.

Der Mehrwert für die berufliche Veränderung

Das Haus der Veränderung stellt einen prototypischen Verlauf von Veränderungen dar. Gleichwohl sind einige Aspekte besonders beachtens- und erwähnenswert:

  1. Negative Emotionen sind normal und sollten nicht klein geredet oder unterdrückt werden. Denn Widerstand ist ein wichtiger und normaler Schritt im Laufe der Veränderung. Personen, die im Widerstand sind, sind immerhin schon einen Schritt weiter als diejenigen, die noch im Zimmer der Zufriedenheit verharren.
  2. Es gibt keine Abkürzungen, jeder geht durch alle Zimmer. Je nach Art der Veränderung kann das so schnell gehen, dass der Aufenthalt in einem Zimmer gar nicht bewusst wahrgenommen wird. Das gilt vor allem für Menschen, die Veränderung frühzeitig wahrnehmen und über eine entsprechende Selbstkompetenz verfügen. Umgekehrt ist es ein hartnäckiger Mythos, dass individuelle Veränderungsprozesse von außen – seien es Führungskräfte oder Coaches – beschleunigt werden können.
  3. Es kann Rückfälle von einem Zimmer in das vorherige geben. Beispielsweise kann es vorkommen, dass die neu entwickelte berufliche Orientierung nicht mit dem tatsächlichen Angebot des Arbeitsmarkts einhergeht. Dann wäre ein Rückschritt vom Zimmer der Erneuerung ins Zimmer der Verwirrung denkbar.
  4. Je tiefgreifender eine Veränderung, desto länger ist der Durchlauf im Haus der Veränderung – das gilt vor allem für radikale berufliche Neuanfänge. Dieser Durchlauf sollte dann aus intensiven Recherchen und prozessbegleitender Reflexion mit einem erfahrenen Coach bestehen. Denn Veränderung ist harte Arbeit und wird nicht ohne die entsprechende Bereitschaft, Zeit und Energie zu investieren, das gewünschte Ergebnis hervorbringen.

Das Haus der Veränderung dient in erster Linie zur Lichtung des eigenen Gefühlchaos in der beruflichen Neuorientierung. Und es kann Erwerbstätigen erklären, wo sie sich gerade befinden und welcher Weg ihnen noch bevorsteht. Das Ziel sollte allen klar sein: Es kann nur eine Rückkehr ins Zimmer der Zufriedenheit sein – jedenfalls bis zur nächsten beruflichen Veränderung.

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