Ein Vorstellungsgespräch sollte kein Interview sein, in dem der Arbeitgeber fragt und der Bewerber antwortet. Allerdings bedarf es Vorbereitung, um ein Gespräch auf Augenhöhe zu führen.
Was ist eigentlich ein richtig gutes Vorstellungsgespräch? Für mich ist das ein Gespräch, in dem sich zwei Seiten treffen, um gemeinsam herauszufinden, ob eine zukünftige Zusammenarbeit sinnvoll ist. Das bedeutet, dass beide Seiten prüfen (dürfen) und dabei keine Seite dominant auftritt. Ein richtig gutes Vorstellungsgespräch endet daher auch nicht zwangsläufig mit einer Zusage, sondern mit dem Gefühl, sich offen, vertrauens- und respektvoll auf Augenhöhe begegnet zu sein.
Leider ist diese Konstellation immer noch viel zu selten. Im öffentlichen Dienst ist es dann doch oft das einseitige Interview, das kaum ohne obrigkeitsstaatliche Elemente auskommen mag. Auch in der Privatwirtschaft gehen immer noch zu viele Arbeitgeber davon aus, dass nur sie wählen und der Bewerber bereits durch sein Erscheinen eine positive Entscheidung getroffen habe. Und außerdem sind nur wenige Bewerber mutig genug, durch ihr Auftreten – vor allem durch die nonverbale Kommunikation – klar zu machen, dass sie heute hier sind, um sich ein näheres Bild vom Arbeitgeber, den beteiligten Personen und die potentielle Position zu machen. Mit dem klaren Selbstverständnis, dass das Ergebnis offen ist.
Die Stellenanzeige ist nur der Ausgangspunkt
Wer gedanklich schon soweit gekommen ist, hat mit der richtigen Einstellung viel, aber noch nicht alles geschafft. Denn um ein solches Vorstellungsgespräch zu führen, bedarf es der Fähigkeit, es zumindest teilweise inhaltlich mitzugestalten. Das betrifft die Selbstpräsentation eingangs, die Vorbereitung auf wahrscheinliche Fragen und die Entwicklung eigener Fragen, die ein Bewerber den Arbeitgebervertretern stellt. Damit sind bei vielen Fach- und Führungskräften noch keine Fragen nach dem Gehalt und Vertragsdetails gemeint – die sind in der ersten Runde oft Tabu.
Anstatt dessen geht es im Wesentlichen darum, sich als Bewerber ein Bild davon zu verschaffen, was der Arbeitgeber von ihm in dieser Position erwartet. Die Stellenanzeige ist nicht mehr als ein erster Eindruck, der nun auf den Prüfstand gestellt werden muss. Schließlich geht es darum, keine Stelle anzutreten, in denen auch ein exzellenter Arbeitnehmer nicht erfolgreich sein kann. Ein Teil dieser Rahmenbedingungen lässt sich unmittelbar wahrnehmen – durch die Räumlichkeiten und die Art und Weise, wie die Arbeitgeberseite mit dem Bewerber kommuniziert.
Seriöse Gesprächspartner geben von sich aus eine Menge über die Rahmenbedingungen preis. Die dahinterstehende Annahme ist, dass es keinen Vorteil bringt, einen attraktiven Bewerber zur eigenen Firma zu lotsen, indem der Arbeitgeber und die Stelle idealisiert werden. Denn spätestens in der Probezeit käme es dann zur Offenbarung, vielleicht sogar zu einem Vertrauensbruch und einer schnellen Trennung. (Das ist nicht immer so, denn viel zu oft lassen sich die neuen Arbeitnehmer langsam weichkochen, aber das ist eine andere Geschichte.)
Prüfen, ohne als misstrauischer Bedenkenträger zu wirken
Herauszufinden, was einen bei diesem Arbeitgeber erwartet, ist allerdings nur teilweise möglich. Und konstruktiv-kritisch zu fragen ist nicht selten ein schmaler Grat. Denn als vorsichtiger Bedenkenträger zu wirken oder gar offenkundiges Misstrauen zu zeigen machen einen Bewerber nicht gerade attraktiv. Insofern rate ich Bewerbern stets, sich auf wenige zentrale Aspekte der Position zu konzentrieren und bloß nicht über nebensächliche Details zu sprechen. Das abzuwägen ist manchmal nicht einfach. Als Orientierung hilft vielleicht der Hinweis weiter, alles anzusprechen, was unverzichtbar ist, um für sich zu einer Entscheidung kommen zu können. Und dabei sich auf das zu beschränken, was vorher überhaupt geklärt werden kann.
Denn nicht alles, was Bewerber vorab brennend interessiert, ist in einem Vorstellungsgespräch auch erfragbar. Es wird also kaum möglich sein, herauszufinden, wie denn die Kollegen „so sind“. Es bleibt daher immer ein taktisches Spiel, selbst bei großer Offenheit und Transparenz von Arbeitgeberseite. Denn genauso, wie sich Bewerber von ihrer besten Seite zeigen, agieren auch Unternehmen in Personalauswahlverfahren. Nichtsdestotrotz ist es völlig legitim, als Bewerber den potentiellen Arbeitgeber selbstbewusst zu testen. Achten Sie besonders auf die unmittelbare Reaktion, also die Körpersprache Ihrer Gesprächspartner, und wie flüssig und souverän sie antworten.
Die technischen Fragen ergeben sich aus dem jeweiligen Stellenprofil. Mit ihnen können sich Bewerber als echte Profis darstellen, die genau wissen, wo die sensiblen Punkte sind. Gleichzeitig zeigen sie dabei, dass sie sich in die Stelle bereits eingedacht haben und unterstreichen dadurch ihre Motivation. Ein Fachgespräch auf Augenhöhe zu führen bedarf daher meist einige Jahre an einschlägiger Berufserfahrung.
Achten Sie auf Branchenbesonderheiten, Unternehmenskultur und Gesprächsatmosphäre
Darüber hinaus kenne ich sehr viele weitere Fragen, die Bewerber grundsätzlich stellen können. Ob sie in der jeweiligen Situation aber immer passen, wage ich sehr zu bezweifeln. Denn es spielen einige Faktoren eine Rolle, die je nach Branche, Unternehmenskultur und Gesprächsatmosphäre zu berücksichtigen sind. Diese folgenden sieben Fragen dürften allerdings in vielen Situation weiterhelfen:
- Welche Ziele verfolgen Sie mit der Besetzung dieser Stelle (kurz-/mittel-/langfristig)?
- Welche Aufgaben haben aus Ihrer Sicht im Team/in der Abteilung höchste Priorität?
- Welche Rolle spielt diese Stelle bei den übergeordneten Zielen des Unternehmens?
- Welche Art von Persönlichkeit suchen Sie für Ihr Team?
- Was schätzen Sie an Ihren Mitarbeitern am meisten?
- Was zeichnet Ihre Unternehmenskultur aus?
- Wie viele Stunden beträgt die durchschnittliche Wochenarbeitszeit auf dieser Position?
Die letzte Frage ist durchaus kontrovers. Aber zumindest die Idee dahinter ist immens wichtig. Denn der quantitative Input, den ein Bewerber zu erbringen hat, hat einen enormen Einfluss auf die Attraktivität der Stelle insgesamt. Denn die sogenannte Work-Life-Balance wird auch leistungsstarken Erwerbstätigen immer wichtiger. Außerdem ist sie maßgeblich für die Frage des späteren Gehalts. Denn wenn ich weiß, dass mich regelmäßig mehr als 50 Wochenstunden erwarten, dann werde ich eine andere finanzielle Gegenleistung als fair empfinden, wenn es nur 40 bis 45 sind.
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