Je komplexer berufliche Herausforderungen sind, desto wichtiger wird Agilität im Berufsalltag. Zwingend geht damit ein kultureller Wandel für Organisationen und Führung einher.
In meinem vorherigen Beitrag hatte ich an dieser Stelle bereits dargelegt, warum Agilität mehr ist als nur eine Modeerscheinung. Agilität ist vielmehr ein Prinzip, das Organisationen dabei hilft, in der VUCA-Welt leistungs- und wettbewerbsfähig zu bleiben. Das betrifft vor allem Bereiche, in denen kluge Köpfe in einem komplexen Umfeld hochgesteckte Ziele erreichen sollen. Doch wie wird eine Organisation agil – und was bedeutet das für die Führungskräfte?
Die Leitungsebene schafft die Rahmenbedingungen
Es wäre ein Widerspruch in sich, wenn Führungskräfte Agilität verordnen würden. Denn zunächst müssen die Rahmenbedingungen geschaffen werden, wofür die Leitungsebene – und sonst niemand anderes – verantwortlich ist. Tatsächlich muss sie eine ganze Reihe von Aspekten berücksichtigt. Und selbst wenn es niemals gelingen kann, perfekte Voraussetzungen zu schaffen, gibt es doch einige Grundbedingungen, die unverzichtbar sind.
Am Anfang steht meist eine fundierte Bestandsaufnahme mittels Interviews und Umfragen innerhalb der Organisation. Je aufwendiger geplant und umgesetzt, desto belastbarer sind die Ergebnisse. Denn dadurch erhalten Top-Führungskräfte einen ungeschminkten Eindruck ihrer Mitarbeiter. Sie können genau erkennen, wo der Schuh drückt und ihre Maßnahmen daran ausrichten.
Ist Ihre Organisation Agile Ready?
Wer sich schneller, einfacher und kostengünstig einen ersten Eindruck davon verschaffen möchte, zu welchem Grad die eigene Organisation bereits die Voraussetzungen für Agilität und sich selbst organisierende Teams erfüllt, dem empfehle ich den Dr. Karbaum Agile Ready Test. Mit nur 20 Multiple-Choice-Fragen bekommen Sie in weniger als 5 Minuten einen ersten Eindruck, in welchen Bereichen Ihre Organisation bereits gut aufgestellt ist und wo Handlungsbedarf besteht. Der Selbsteinschätzungstest ist für Führungskräfte formuliert, kann aber auch von Personen ohne Personalverantwortung ausgefüllt werden. Dazu ist lediglich ein gedanklicher Perspektivwechsel erforderlich.
Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, der Test selbst kann kostenlos und anonym durchgeführt werden. Am Ende sehen Sie Ihre Gesamtpunktzahl, maximal 65 Punkte sind möglich. Bei einer hohen Punktzahl liegen bereits passable Rahmenbedingungen für Agilität vor. Sofern Sie eine Einordnung Ihres Ergebnisses wünschen, schreiben Sie mich bitte über mein Kontaktformular an, und Sie erhalten darauf hin ebenfalls kostenlos und unverbindlich eine allgemeine Erläuterung. Natürlich ist auch eine tiefergehende, individuelle Analyse möglich.
Partizipativer Führungsstil und Agilität
Während dieser Test auf die organisationalen Maßnahmen abzielt, die Führungskräfte einleiten können und sollten, braucht es oft auch einer Neuinterpretation des eigenen Rollenverständnis. Nur wer bereits den partizipativen Führungsstil erfolgreich praktiziert, bringt bereits das notwendige Rüstzeug für agile Führung mit. Die vier wichtigsten Annahmen sind:
- Agile Führung orientiert sich an den Bedürfnissen der Mitarbeiter – nicht die zu erledigenden Aufgaben stehen im Mittelpunkt, sondern die Menschen selbst.
- Vorgesetzte agieren wie Coaches, hören viel zu, fördern ihre Mitarbeiter und ermutigen sie, eigene Lösungen zu entwickeln und eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen.
- Entscheidungen werden gemeinschaftlich getroffen – die Führungskraft nimmt es hin, wenn sie überstimmt wird, weil es keinen Autoritätsverlust darstellt.
- Gleichzeitig bleibt das formale Machtverhältnis, vor allem die Weisungsbefugnis, erhalten – sie kommt im Berufsalltag aber nicht mehr oder nur noch selten zur Anwendung.
Grundsätze der agilen Führung
Verschiedene Autoren haben in den letzten Jahren diese Grundannahmen präzisiert und erweitert. Die gelieferten Stichworte reichen oft bereits aus, um einen guten Eindruck zu gewinnen, was erfolgreiche agile Führung ausmacht. Peter Koning weist beispielsweise vier wesentliche Handlungsfelder zu: Verantwortung für die gemeinsame Zieldefinition, Förderung der Eigenverantwortung, Ermöglichen schnelleren Lernens und die Gestaltung der Organisationskultur. Marc Solga wiederum verbindet die Prinzipien Fördern, Fordern und Führung wiederum mit Ausrichtungs- und Befähigungspraktiken.
Der Ansatz von Simon Hayward hebt dagegen die mit der Digitalisierung verbundenen Führungsanforderungen im Change Management hervor. Er beschreibt agile Führung als gleichzeitiges Ermöglichen und Stören von Teams und der Organisation, was er als „agiles Führungsparadoxon“ bezeichnet. So schafft die Führungskraft optimale Rahmenbedingungen für Agilität und ist außerdem in der Lage, den Weiterentwicklungsprozess der Mitarbeiter zu fördern. Aber Vorsicht: Mitarbeiter, die gut damit umgehen können, klare Anweisungen ihrer Führungskraft zu erhalten (und diese mitunter auch brauchen), fremdeln oft mit ihrer neuen Rolle in einem agilen Team.
Die psychologische Herausforderung ist größer als die technische
Auch wenn ich an dieser Stelle nur eine kurze Zusammenfassung anbieten kann, sollte Vorgesetzten klar sein, dass dies alles keine Kleinigkeiten sind. Viele Führungskräfte müssen sich neu definieren, was weniger technisch als viel mehr psychologisch herausfordernd ist. Das gilt insbesondere für diejenigen, die bereits über einen langen Zeitraum Personalverantwortung ausüben und mit ihrem Führungsstil erfolgreich waren. Diesen dann noch einmal grundlegend zu verändern, ohne dabei an Authentizität zu verlieren, ist nicht leicht.
Außerdem neigen Vorgesetzte mit hoher Fachkompetenz dazu, sich immer wieder in den unmittelbaren Aufgabenbereich ihrer Mitarbeiter einzumischen, mehr als nötig anzuordnen oder sogar Mikromanagement zu betreiben. Doch all das widerspricht den fundamentalen Annahmen von Agilität und stellt vielmehr eine sehr traditionelle Form von Führung dar. In solchen Organisationen wäre Agilität daher gleichbeutend mit einer Revolution der Unternehmenskultur.
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